Bestimmung von Drehmoment und Leistung bei Modellmaschinen
In einem früheren Artikel hatte ich eine Messeinrichtung zur Bestimmung von Indikatordiagrammen von Kolben-Modellmaschinen beschrieben. Indikatordiagramme stellen den Druckverlauf im Arbeitszylinder des zu messenden Motors als Funktion des Kolbenweges dar. Der Druckverlauf bei Hin- und Rückweg des Kolbens bildet eine geschlossene Fläche. Aus dem Flächeninhalt dieser Fläche kann die indizierte Leistung der Modellmaschine bestimmt werden. Die indizierte Leistung ist die Leistung, die aus der Energie des Arbeitsmediums Dampf oder Heißluft in mechanische Energie, d.h. hier Rotationsenergie, umgewandelt wird. Nun interessiert im Allgemeinen primär nicht die indizierte Leistung, sondern die Wellenleistung des Motors. Denn nur die Wellenleistung steht als nutzbare Leistung an der Abtriebswelle des Motors zur Verfügung. Die Wellenleistung ist wegen der Reibungsverluste im Motor und wegen des Leistungsbedarfs eventuell vorhandener Hilfsaggregate stets kleiner als die indizierte Leistung.
Zur Bestimmung der Wellenleistung von Modellmaschinen, d.h. von Dampfmaschinen, Heißluftmotoren und Verbrennungsmotoren, kann man einen sogenannten Pronyschen Zaum benutzen.
In Bild 1 ist ein Pronyscher Zaum in der klassischen Bauweise dargestellt. Die Abtriebswelle (rot) wird von Bremsbacken (grau) umfasst, deren Anpressdruck durch Spannschrauben geregelt werden kann. Die Bremsbacken sitzen an einem Hebelarm (blau), dessen anderes Ende durch Gewichte belastet werden kann. Zwei Anschläge (diagonal gestreift) begrenzen die vertikale Bewegungsmöglichkeit des Hebelarms. Durch Änderung des Anpressdruckes wird die Drehzahl des zu messenden Motors auf den gewünschten Wert eingestellt. Nun wird der Hebelarm so lange mit Gewichten belastet, bis er horizontal steht. Aus der Länge l (in Meter, m) des Hebelarms und der Gewichtskraft F (in Newton, N) ergibt sich das zur Abbremsung benötigte Drehmoment zu M = l * F. Die Einheit des Drehmomentes ist also Nm. Allgemein gilt, dass Leistung gleich Arbeit pro Zeiteinheit ist, die Arbeit wiederum ergibt sich aus Kraft mal Weg. Der Weg pro Umdrehung ist hier der Kreisumfang, d.h. 2 * π * l. Damit ergibt sich die Arbeit pro Umdrehung zu 2 * π * l * F = 2 * π * M. Die Leistung L (in Watt, W) des Motors ergibt sich also bei der eingestellten Drehzahl n (in Umdrehungen pro Sekunde, 1/s) zu L = 2 * π * M * n. Die vom zu testenden Motor geleistete Arbeit wird vom Pronyschen Zaum durch Reibung in Wärme umgesetzt. Die kann bei der hier gezeigten Bauweise zu einer starken Erwärmung und sogar Entzündung der klassisch aus Holz gefertigten Bremsbacken führen.
Es gibt natürlich noch andere Möglichkeiten, den zu testenden Motor abzubremsen, als durch hölzerne Bremsbacken. So kann man z.B. einen elektrischen Generator antreiben, der durch einen regelbaren Widerstand belastet wird. Man kann als Generator z.B. einen Bürsten-Gleichstrommotor benutzen. Eine weitere Möglichkeit zum Abbremsen ist eine Wirbelstrombremse. Auf der Abtriebswelle ist eine Kreisscheibe aus gut leitendem Metall (z.B. Kupfer) befestigt. Vor der Metallscheibe ist ein starker Permanentmagnet mit veränderbarem Abstand zur Metallscheibe angeordnet. In der Metallscheibe befinden sich frei bewegliche Elektronen. Werden die Elektronen in einem Magnetfeld bewegt (die Scheibe dreht sich), so wird auf die Elektronen eine Kraft ausgeübt, deren Richtung senkrecht zur Bewegungsrichtung und senkrecht zum Magnetfeld zeigt (Lorentz-Kraft). Diese Kraft bewegt die Elektronen innerhalb der Metallscheibe, d.h. es fließt ein Kurzschlussstrom in der Metallscheibe. Ein Teil der Rotationsenergie wird also in Wärme umgesetzt, d.h. die Scheibe wird gebremst. Durch Veränderung des Abstandes des Magneten zur Metallscheibe kann die Stärke der Abbremsung variiert werden.
Zum Einsatz an Modellmaschinen wollte ich eine möglichst universelle Messeinrichtung bauen, die einerseits an unterschiedlichen Maschinen benutzt werden kann und andererseits den Einsatz unterschiedliche Bremseinrichtungen ermöglicht.
Die Bilder 2 und 3 zeigen einen Entwurf der Messeinrichtung. Das Freecad Modell zeigt nur die wesentlichen Bestandteile der Messeinrichtung, so habe ich z.B. keine Schrauben eingebaut. Auf der türkisfarbenen Grundplatte sind zwei Ständer (türkis) für die Lagerung der Welle (rot) befestigt, sowie zwei Träger (türkis) für die Wägezellen (gelb). Die Welle läuft in Kugellagern (grün), sie enthält eine Kreisscheibe (rot) mit einem Schlitz für die Drehzahlmessung. Am freien Ende der Welle kann die Abtriebswelle des zu messenden Motors mit einer flexiblen Kupplung angekoppelt werden. Das andere Ende der Welle enthält die Bremseinrichtung. Hier im Bild ist ein als Generator betriebener Bürsten-Gleichstrommotor (blau) dargestellt. Dieser Generator ist an einem Rahmen (grau) befestigt. Der Rahmen ist ebenfalls mit Kugellagern auf der Welle drehbar gelagert. Somit wird das Bremsmoment des Gleichstrommotors auf den Rahmen übertragen. Am Rahmen gibt es zwei Hebelarme, die mit einer Druckschraube (nicht dargestellt) auf die Wägezelle drücken. Damit ist die Drehmoment Messung realisiert. Im Prinzip braucht man natürlich je nach Drehrichtung nur eine der beiden Wägezellen. Ich habe beim Bau auch nur einen Hebelarm und eine Wägezelle realisiert. Bei einer Umkehr der Drehrichtung müssen Hebelarm und Wägezelle auf der anderen Seite montiert werden. Die Platte mit dem Bremsgenerator lässt sich leicht gegen eine Platte mit einer anderen Bremseinrichtung, z.B. einer Wirbelstrombremse, austauschen.
Der eigentliche Bau der Messeinrichtung gemäß dem im vorherigen Kapitel vorgestellten Modell stellt keine Probleme dar. Ich kann mich daher auf die Darstellung der fertigen Messeinrichtung beschränken.
Die Bilder 4 und 5 sind Fotos der fertigen Messeinrichtung. Die Messing-Rändelschrauben am Hebelarm bzw. unter dem Halter für die Wägezelle dienen als Kraftübertragung auf die Wägezelle bzw. als Anschlag zur Begrenzung der Maximalbiegung der Wägezelle. Die Rändelschraube im Rahmen dient zur Arretierung des Rahmens während des Transportes. Man erkennt die Platine auf dem Rahmen zur Ermittelung der Drehzahl und eine Platine vor der Wägezelle zur Auswertung des Drehmomentes. Die gesamte Messeinrichtung ist mittels 4 Gewindestangen mit Rändelmuttern in der Höhe verstellbar. Während die horizontale Ausrichtung der Messeinrichtung zum zu messenden Motor kein Problem darstellt, ist die vertikale Ausrichtung i.a. ohne Höhenverstellung schwieriger.
Bild 6 zeigt den hier als Bremsgenerator angebauten Maxon Motor mit eingebautem Getriebe. Der Motor ist am Rahmen befestigt, die Motorwelle ist mit einer elastischen Kupplung an die Welle der Messeinrichtung angekoppelt. Auf diese Weise wird das Bremsmoment des Motors auf den Rahmen und damit den Hebelarm übertragen, der sich auf der Wägezelle abstützt.
Ich habe noch einen anderen, leistungsfähigeren Gleichstrommotor benutzt, der alternativ zur Bestimmung höherer Leistungen des zu messenden Motors als Bremsgenerator angebaut werden kann, siehe Bild 7 und 8. Da dieser Motor kein eingebautes Getriebe hat, musste ich ein Getriebe zur Erhöhung der Drehzahl zwischenschalten, damit der Motor eine höhere Spannung und damit einen höheren Kurzschlussstrom liefert.
Um einen Bürsten-Gleichstrommotor als Bremsgenerator zu benutzen, muss der Motor z.B. mit einem regelbaren Widerstand belastet werden, d.h. die im Motor erzeugte Spannung führt zu einem Kurzschlussstrom durch den Widerstand. Ich habe teilweise statt des regelbaren Widerstandes eine elektronische Last benutzt (Bild 9).
Eine solche elektronische Last verhält sich wie ein regelbarer Widerstand. Mit Hilfe des Potentiometers auf der Platine lässt sich der Kurzschlussstrom, der durch die elektronische Last fließt, regeln. Eine elektronische Last hat den Vorteil, dass sie als Bausatz deutlich preiswerter erhältlich ist als ein klassischer regelbarer Widerstand mit hoher Belastbarkeit.
Die Bilder 10 und 11 zeigen als eine alternative Bremseinrichtung eine Wirbelstrombremse. Auf der Welle der Messeinrichtung ist eine dicke Kupferscheibe montiert. Am Rahmen ist ein starker Permanentmagnet aus einer defekten Festplatte an zwei Führungsstangen horizontal verschiebbar angeordnet. Mittels der Rändelschraube lässt sich der Abstand des Magneten zur Kupferscheibe variieren. Die Kombination von Magnet und Kupferscheibe bildet die weiter oben beschriebene Wirbelstrombremse. Durch Variation des Abstandes von Magnet und Kupferscheibe kann das Bremsmoment variiert werden.
Wie oben ausgeführt müssen zur Berechnung der Leistung das Drehmoment und die Drehzahl des zu messenden Motors bestimmt werden. Das Drehmoment wird, wie schon gesagt, mit einer Wägezelle bestimmt. Bei einer Wägezelle wird die Biegung eines Aluminiumstabes unter der Gewichtsbelastung bestimmt. Die Biegung wird mit Dehnungsmessstreifen auf der Oberseite und der Unterseite des Stabes ermittelt. Allerdings ist die Biegung äußerst gering. Daher muss ein empfindlicher Verstärker und ein 24-Bit Analog-Digitalwandler zur Auswertung der minimalen Widerstandsänderungen der Dehnungsmessstreifen benutzt werden. Glücklicherweise ist diese Elektronik heutzutage als ein Modul mit der Bezeichnung HX711 preiswert verfügbar. Die Drehzahl wird mit einer Gabellichtschranke bestimmt. Die Lichtschranke wird mit einer Kreisscheibe mit einem Schlitz, die auf der Welle der Messeinrichtung angeordnet ist, pro Umdrehung 1-mal unterbrochen.
In Bild 12 sieht man die Auswertungs-Elektronik mit dem Display zur Anzeige der Messwerte, den Tastern zur Steuerung und der Anschlussbuchse für die Gabellichtschranke und die Wägezelle. Die Berechnung der Messergebnisse Drehmoment und Leistung und deren Ausgabe auf einem 4-zeiligen Display erfolgt durch einen Arduino. Der Anschluss der Wägezelle und des Displays an einen Arduino wird durch frei verfügbare Softwarebibliotheken unterstützt. Statusänderungen (Unterbrechungen) an der Gabellichtschranke werden mittels Interrupts erfasst. Die berechneten Werte für Drehzahl, Drehmoment und Leistung werden fortlaufend auf dem Display angezeigt. Der Benutzer kann durch kurzes Drücken des Übertragungs-Tasters die momentan angezeigten Werte speichern und somit eine Messreihe mit Messwerten von Drehzahl, Drehmoment und Leistung bei verschiedenen Drehzahlen erzeugen. Es können maximal 40 Messungen in der Messreihe gespeichert werden.
Die Berechnung des Drehmomentes setzt eine Eichung der Wägezelle voraus. Das Arduino Programm lässt sich durch langes Drücken des Modus-Tasters in einen Eichmodus versetzen. Danach kann durch Auflegen eines bekannten Gewichtes auf den Hebelarm über der Wägezelle die Eichung durchgeführt werden. Zur grafischen Darstellung kann die gespeicherte Messreihe durch langes Drücken des Übertragungs-Tasters über eine USB-Schnittstelle an das Programm “GNU Octave“ auf einem PC übertragen werden. Octave ist ein kostenlos verfügbares, universelles Programm zur Durchführung von Berechnungen. Man kann die gewünschten Berechnungen in einer speziellen Programmiersprache in Octave programmieren. Diese Programmiersprache ist weitgehend mit der auch in dem kommerziellen Programm „MATLAB“ benutzten Programmiersprache kompatibel. Octave unterstützt auch grafische Darstellung, d.h. es können die gewünschten Kurven für Drehmoment und Leistung in Abhängigkeit von der Drehzahl gezeichnet werden.
Es sollen hier exemplarisch einige typische Beispiele für Messungen an Motoren gezeigt werden.
Bild 13 zeigt einen typischen Aufbau für die Messung eines Motors. Hier wird ein Beta Stirling Motor gemessen. Der Motor ist unter der Überschrift "β-Stirling mit Inclined Yoke Drive" in der Rubrik "Heißluftmotoren" beschrieben. Als Bremseinheit wird die oben beschriebene Wirbelstrombremse benutzt. Als elastische Kupplung zwischen zu messendem Motor und der Messeinrichtung fungiert hier ein Stück PVC Schlauch. Bei größeren Motorleistungen muss statt des PVC Schlauchs natürlich eine elastische Kupplung, die ein größeres Drehmoment übertragen kann, benutzt werden. Bei Benutzung eines Motors als Bremsgenerator sähe der Messaufbau etwa wie in Bild 14 aus.
Das Ergebnis der Messungen an dem Beta Stirling ist in Bild 15 zu sehen. Es wurden mehrere Messungen bei verschiedenen Drehzahlen gemacht und jeweils gespeichert. Am Ende der Messreihe wurden die Messergebnisse wie oben beschrieben an das Programm Octave auf dem PC geschickt. Das Bild 15 wurde dann von Octave erzeugt. Die gezeigten Kurven sind nicht geglättet und weichen daher teilweise von dem theoretisch erwarteten glatten Verlauf ab. Das ist eben der Unterschied zwischen der Theorie und praktischen Messungen, letztere sind mit Messfehlern behaftet. Bild 16 zeigt die Vermessung einer Dampfmaschine, die allerdings hier mit Druckluft betrieben wurde. Es handelt sich um die 1-Zylinder A-Ständer Maschine von K.-E. Jenczok (siehe "Stehende 1-Zylinder Dampfmaschine" in der Rubrik "Dampfmaschinen").
Die gebaute Messeinrichtung ermöglicht es, sowohl Einzelmessungen von Drehzahl, Leistung und Drehmoment vorzunehmen als auch Drehzahl abhängige Kurven für Leistung und Drehmoment aufzunehmen. Eine Anpassung an unterschiedliche Motor Leistungen kann durch Anpassung des Bremsaggregats erfolgen, ev. muss auch die Wägezelle durch ein Exemplar mit anderem Kraftmessbereich ersetzt werden. Für geringe Motorleistungen hat sich die Wirbelstrombremse als sehr praktisch in der Handhabung erwiesen.
Auf Wunsche stelle ich gerne das Arduino Programm und das Octave Programm zur Verfügung.