Erstellung von Indikatordiagrammen


In diesem Artikel geht es um die Erstellung von Indikatordiagrammen von Modell-Heißluftmotoren und Modell-Dampfmaschinen. Ich werde zunächst erläutern, was ein Indikatordiagramm ist und was man damit anfangen kann.

Unter einem Indikatordiagramm versteht man eine grafische Darstellung des Druckverlaufs im Zylinder einer Kolbenkraftmaschine gegen den Kolbenweg. Zur Veranschaulichung ist in Bild 1 ein typisches Indikatordiagramm für eine Dampfmaschine dargestellt.

Bild 1

Auf der vertikalen Achse ist der Druck aufgetragen und auf der horizontalen Achse der Kolbenweg. Der obere Teil der Kurve stellt den Kolbenweg vom oberen Totpunkt (OT) zum unteren Totpunkt (UT) dar, der untere Kurventeil den Weg vom UT zum OT. Die rote Kurve gilt für eine Dampfmaschine, bei der Expansion genutzt wird, d.h. die Dampfzufuhr wird nach einem Teil des Kolbenweges vom OT zum UT beendet. Im Gegensatz dazu wird bei einer Volldruckmaschine (blaue Kurve) während des gesamten Kolbenweges vom OT zum UT Dampf eingelassen.

Das Indikatordiagramm in Bild 2 ist typisch für einen Stirlingmotor.

Bild 2

Die schwarze Kurve stellt den Druckerlauf eines idealen Stirlingmotors dar (Stirling Kreisprozess). Diese Kurve interessiert hier nicht. Die rote Kurve stellt ein mögliches Indikatordiagramm für einen realen Stirlingmotor mit Kurbeltrieb dar, d.h. einem Stirlingmotor, bei dem Arbeits- und Verdrängerkolben durch einen Kurbeltrieb betätigt werden.

Wozu dient ein Indikatordiagramm? Auf der einen Seite kann man bei einer Dampfmaschine anhand des Indikatordiagramms das ordnungsgemäße Funktionieren der Steuerung kontrollieren, bei einem Heißluftmotor kann man z.B. die Auswirkung der Veränderung des Phasenwinkels zwischen Verdrängerkolben und Arbeitskolben studieren. Auf der anderen Seite kann man mittels eines Indikatordiagramms die indizierte Leistung der Maschine bestimmen. Die indizierte Leistung ist die Leistung, die vom Arbeitsmedium (Dampf, Arbeitsgas des Heißluftmotors) in mechanische Leistung der Kolbenbewegung gewandelt wird. Die effektive Leistung, die man beim Motor an der Welle abnehmen kann, ist kleiner als die indizierte Leistung. Der Unterschied ergibt sich durch Reibungsverluste im Motor und die Leistung, die von eventuellen Nebenaggregaten gebraucht wird.

Wie bestimmt man die indizierte Leistung aus dem Indikatordiagramm? Die von der geschlossenen Kurve (rote Linie in den Indikatordiagrammen) eingeschlossene Fläche ist ein Maß für die bei einer Kurbelumdrehung von der Maschine geleistete Arbeit. Ich sage deshalb "ist ein Maß für die Arbeit", weil man konstante Faktoren anmultiplizieren muss, um die Arbeit z.B. in Wattsekunden zu erhalten. Multipliziert man die berechne Arbeit mit der Drehzahl des Motors, erhält man die indizierte Leistung in Watt.

Früher hat man Indikatordiagramme mit speziellen mechanischen Messgeräten, sogenannten Indikatoren, erstellt. Ich will hier nicht näher darauf eingehen. Wer sich dafür interessiert, kann sich z.B. im Internet einen ausführlichen Artikel (Quelle /1/) ansehen. Heute bietet sich mit Mikrocontrollern und geeigneten Messfühlern / Sensoren die Möglichkeit, Indikatordiagramme elektronisch mit vergleichsweise geringem Aufwand zu erstellen.

In dem Artikel zur Funktionsweise eines sogenannten Thermoakustik Motors (siehe Kapitel "Heißluftmotoren/Messeinrichtung für den sog. Thermoakustik Motor") hatte ich schon einmal eine Messeinrichtung zur Aufnahme eines Indikatordiagramms beschrieben. Die Messeinrichtung war aber an den speziellen Motor angepasst und fest mit ihm verbundenen. In diesem Artikel soll es dagegen um eine universelle Messeinrichtung gehen, die möglichst einfach an jedem Heißluftmotor-Modell bzw. an jedem Dampfmaschinen-Modell benutzt werden kann.

Bild 3

Bild 3 zeigt den prinzipiellen Aufbau der Messeinrichtung. Sie besteht aus einem Teil zur Messwertaufnahme und einem zweiten Teil, der die Aufbereitung der Daten und die grafische Darstellung übernimmt. Als Messwertaufnehmer kommt ein Arduino Mikrocontroller mit angeschlossenen Sensoren zur Aufnahme des Kolbenweges und des Druckes zum Einsatz. Die Messdaten werden dann über eine serielle Schnittstelle (USB) zum zweiten Teil der Messeinrichtung, einem Programm auf einem PC, übertragen.

Betrachten wir zunächst den Messwertaufnehmer. Zum Anschluss des Drucksensors an eine zu messende Dampfmaschine muss natürlich ein Zugang zum Inneren des Zylinders existieren. Diese Anpassung lässt sich natürlich nicht vermeiden, sie ist aber recht einfach zu machen: ein Loch in den Zylinderdeckel bohren, Gewinde schneiden und Stopfen bzw. Anschluss für den Drucksensor einschrauben. Bei einem Heißluftmotor kann der Drucksensor an einer beliebigen Stelle des geschlossenen Systems angeschlossen werden. Als Drucksensor wird ein Differenzdrucksensor vom Typ MPX5xxxDP der Firma Freescale benutzt. (Das xxx steht für Ziffern, die den Messbereich des Sensors charakterisieren.) Sensoren dieses Typs sind so ausgelegt, dass sie direkt an einen Arduino angeschlossen werden können. Der Fehler der Sensoren beträgt 2,5 %, die Reaktionszeit ist 1 ms. Der Preis liegt je nach Messbereich zwischen 10 und 20 €. Wie schon gesagt, handelt es sich um Differenzdrucksensoren, d.h. sie messen den Druck relativ zu dem am Referenzanschluss herrschenden Druck. Schließt man an den Referenzanschluss nichts an, misst man also relativ zum Atmosphärendruck. Zu Erwähnen ist noch, dass der Sensor nur Drücke größer als der Referenzdruck messen kann. Will man unterhalb des Atmosphärendruckes messen, muss man am Referenzanschluss einen Unterdruck erzeugen, z.B. durch Herausziehen des Kolbens einer angeschlossenen Injektionsspritze.

Der Aufnehmer zur Registrierung des Kolbenweges besteht aus einer Sektorenscheibe, die auf der Kurbelwelle befestigt wird sowie einer Lichtschranke, mit der der Durchlauf der Sektoren aufgenommen wird. Zur korrekten Auswertung der Messdaten ist es notwendig, dass der obere Totpunkt des Kolbens ermittelt wird. Dies geschieht hier dadurch, dass die Sektorenscheibe im OT eine spezielle, feinere Unterteilung hat, siehe Bild 3. Diese feinere Unterteilung wird von der Software auf dem Arduino erkannt. Durch diese Maßnahme kann man sich den Einbau einer zweiten Sektorenscheibe nur zur Erkennung des OT ersparen. Die Sektorenscheibe kann man als Scheibe mit Schlitzen und Abtastung mit einer Gabellichtschranke oder als weiß / schwarz Muster und Abtastung mit einer Reflexlichtschranke ausbilden. Noch einfacher ist es, auf dem Umfang des Schwungrades einen Markierungsstreifen aus Papier mit Länge gleich Umfang des Schwungrades und einem entsprechenden weiß / schwarz Muster anzubringen. Diese Lösung erfordert am wenigsten Aufwand bei der Realisierung des Wegaufnehmers. In Bild 3 ist die Sektorenscheibe mit einer 12er Teilung (12 mal weiß / schwarz Sektor) gezeichnet, in der Realität wird eine 36er Teilung benutzt, wobei der letzte weiß / schwarz Sektor vier geteilt ist. Registriert die Lichtschranke einen Wechsel weiß nach schwarz, wird der Druck gemessen. Damit wird eine Druckermittelung alle 10 Grad Kurbelwellenwinkel erreicht.

Eine Messung wird ausgeführt, indem zur Verringerung des Messfehlers die Daten während 10 Umdrehungen ermittelt werden. Die gemittelten Messdaten, das sind der Ausgabewert des Drucksensors als Maß für den Druck im System alle 10 Grad Kurbelwellenwinkel gemessen ab OT sowie die Zeit für eine Umdrehung, werden über die USB Schnittstelle an einen PC übertragen.

Auf dem PC ist das Programm “GNU Octave“ installiert (Quelle /2/). Octave ist ein kostenloses Programm zur Lösung von nummerischen Problemen. Octave ist auf den Plattformen Linux, Mac und Windows verfügbar. Das Vorgehen ist so, dass man die zu lösende Aufgabe in einer Scriptsprache beschreibt. Das kommerzielle Analogon zu Octave ist “Matlab“. Die Scriptsprache von Octave ist weitgehend mit der von Matlab identisch.

Vor einer Messung wird in Octave das speziell erstellte Auswertescript gestartet. Beim Start werden diesem Script Typ des Drucksensors, Kurbelradius, Pleuellänge und Kolbenfläche als Parameter mitgegeben, Daten, die zur Berechnung der Ergebnisse zusätzlich benötigt werden. Das Script wartet auf Eingaben vom Arduino. Sobald die Daten einer Messung komplett übertragen sind, startet die Auswertung der Messdaten. Aus den Ausgabewerten des Drucksensors wird für den benutzten Drucksensor der wahre Druck in Millibar ermittelt. Aus dem Kurbelwellenwinkel lässt sich unter Berücksichtigung des Kurbelradius und der Pleuellänge der Kolbenweg in Millimeter berechnen. Durch Berechnung des Flächeninhaltes der geschlossenen Indikatorkurve lässt sich zusammen mit der Kolbenfläche die indizierte Arbeit pro Kurbelwellenumdrehung in Wattsekunden berechnen. Unter Berücksichtigung der Drehzahl ergibt sich die indizierte Leistung in Watt. Die Ergebnisse der Berechnung werden in einem Indikatordiagramm ausgegeben.

Die Messwertaufnehmer-Einheit enthält den Arduino Mikrocontroller (Foto 4). Auf der linken Seite sieht man die Buchsen für die Messwertaufnehmer, die USB-Buchse befindet sich an der Stirnseite. Rechts unten ist der Taster zur Auslösung einer Messung, die LED links oben zeigt das Auslösen der Lichtschranke an. Um ein exaktes Ausrichten der Lichtschranke auf die OT-Markierung der Sektorenscheibe bzw. des weiß / schwarz Musters auf dem Umfang des Schwungrades zu vereinfachen, kann mittels des Potentiometers in der Mitte die Sektorenscheibe bzw. der Markierungsstreifen softwaremäßig gegenüber der Kurbelwelle verdreht werden. Der dabei eingestellte Verstellwinkel wird in der 7-Segment Anzeige oberhalb des Potentiometers ausgegeben.

Bild 4

Auf dem Foto 5 sieht man die Anordnung der Messeinrichtung an einem gamma-Stirlingmotor. Hier ist der Markierungsstreifen auf die bereits beschriebene Weise auf dem Umfang des Schwungrades angeordnet.

Bild 5

Das Foto 6 zeigt den Wegaufnehmer mit der Reflexlichtschranke noch einmal im Detail.

Bild 6

Auf einer Detailaufnahme des Druckaufnehmers (Foto 7) sieht man, wie an dem Anschluss für den Referenzdruck ein Schlauch angeschlossen ist, der zu einer Injektionsspritze (außerhalb des Bildes) führt. Damit kann auf die bereits beschriebene Weise der Referenzdruck unterhalb des Atmosphärendrucks abgesenkt werden. Der hier benutzte gamma-Stirlingmotor besitzt ein “Füllventil“, das dafür sorgt, dass der Druck im Inneren des Systems nicht unter den Atmosphärendruck sinkt. Solche Ventile wurden z.B. von der Firma Heinrici an ihren Stirlingmotoren (teilweise?) benutzt. Man sieht das Ventil auf dem Foto links vom Anschlussstück für den Drucksensor. Wegen dieses Ventils muss bei diesem Motor nur ein sehr geringer Unterdruck am Referenzanschluss eingestellt werden.

Bild 7

Das Foto 8 schließlich zeigt den letzten Teil des Messaufbaus, den PC mit dem Auswerteprogramm Octave.

Bild 8

Die Messeinrichtung kann natürlich auch an einer Dampfmaschine benutzt werden. Auf Foto 9 ist die Messeinrichtung an einer doppelt wirkenden Einzylinder A-Ständer Maschine, die hier mit Druckluft betrieben wird, montiert. Man kann mit dem gezeigten Aufbau natürlich nur eine Seite des doppelt wirkenden Kolben messen. Zur Messung der anderen Kolbenseite müsste ein weiteren Zugang zu dem entsprechenden Zylinderteil geschaffen werden. Bei der Maschine handelt es sich um eine Konstruktion von Karl-Ernst Jenczok.

Bild 9

Wie sehen die mit der Messeinrichtung erzeugten Indikatordiagramme aus? Das Diagramm für den zuvor gezeigten gamma-Stirlingmotor ist im Bild 10 zu sehen. Man erkennt die für einen Stirlingmotor typische Form des Diagramms. Der auf der vertikalen Achse angegebene Druck ist wegen der Benutzung eines willkürlichen Referenzdruckes nicht absolut richtig, jedoch sind relative Druckunterschiede zwischen Kurventeilen richtig. Bei der hier ermittelten Drehzahl von ca. 360 1/min leistet der Motor ca. 0,6 W.

Bild 10

Bild 11 zeigt das Indikatordiagramm für die zuvor gezeigte, mit Druckluft betriebene, Dampfmaschine. Dieses Diagramm sieht weniger lehrbuchmäßig aus. Offenbar ist die Steuerung nicht gut eingestellt. Man kann aus der Form der Kurve vom OT zum UT auch erkennen, dass die Leitungen für die Luftzuführung offenbar einen zu kleinen Durchmesser haben.

Bild 11

Ich habe in diesem Beitrag darauf verzichtet, Schaltbilder der Messwertaufnehmer-Einheit zu zeigen und auf Details des Arduino Sketches / Programms oder des Auswertescripts für das Programm Octave einzugehen. Sollte daran Interesse bestehen, bin ich gerne bereit, entsprechende Informationen zur Verfügung zu stellen. Das setzt allerdings eine gewisse Vertrautheit im Umgang mit einem Arduino bzw. die Bereitschaft, sich mit dem Programm Octave zu beschäftigen, voraus.


Quellen:

/1/ http://www.zeno.org/Roell-1912/A/Indikator

/2/ https://www.gnu.org/software/octave/